5. Tag
Das Holiday Inn, unser Übernachtungshotel, ist ganz nett, es besitzt einen schönen Innenhof, strahlend polierte Marmorböden etc. und wir genießen unser schönes Zimmer. Unser Frühstück besteht aus einem leckeren Obstteller, der liebevoll angerichtet wurde, und aus verschiedenen Eierspeisen, die man individuell bestellen kann. Dazu gibt es Toast und Marmelade - nach dem Buffet vom ''The reef'' etwas spartanisch, aber mir reicht es vollkommen.
Nachdem wir um 8:15 Uhr das Hotel verlassen haben, fahren wir durch die Straßen von Chetumal, wo noch nichts los ist. Der Alltag scheint später zu beginnen, denn alle Läden sind noch zu und kaum Menschen auf den Straßen zu sehen. Auffällig sind die vielen, gut erhaltenen VW Käfer, die alle noch recht gut aussehen und mich sentimental an meine Kindheit erinnern.
Hilde wird heute und morgen von ihrer Freundin Thérèse begleitet und gibt uns auf der Fahrt wieder viele Informationen, um das Land und die Leute besser zu verstehen. Die wichtigste Ansage ist, dass das Wetter bis Ende der Woche warm und sonnig bleiben soll - das wäre prima! Daneben berichtet Hilde uns, die Mayas hätten eine Art Sauna erfunden, um die Seele zu reinigen, und seien sehr sauber gewesen, d. h. zweimal ein Bad am Tag und eine ganz andere Hygiene als die Menschen zur gleichen Zeit in Europa.
Auf der Fahrt ist alles grün, da wir in der Regenzeit hier sind, und im Oktober wären die vielen Felder etc. schon braun und verbrannt. Also hat es auch Vorteile, in der Regenzeit zu verreisen! Wir sehen viele Pflanzen, wie z. B. Bananen, Bougainvilleas, Feuerpflanzen und immer wieder Palmen. Die Regierung hat diese Region unter Schutz gestellt, so dass hier viele Tierarten vorkommen, diverse Frösche, Amphibien, Echsen, 300 Schmetterlingsarten, Seidenspinnen, Krokodile, Tapire und viele Fischarten.
Hilde erläutert uns, dass die Atzteken grausamer als die Mayas gewesen seien, Menschenopfer wären bei ihnen Usus gewesen, und dass die Atzteken diese Rituale mit nach Yucatan gebracht hätten. Zunächst hätte man zwar gedacht, die Mayas seien nicht so grausam, d. h. man sah sie als große Astronomen und Wissenschaftler, aber seit der Entdeckung von Ruinen in den 50-ziger Jahren stellte man fest, dass auch sie Menschen ausbluten ließen oder den Brustkorb von Menschen mit Edelsteinen aufschlitzten, um das noch schlagende Herz den Göttern zu opfern. (Man hat Mel Gibson nicht erlaubt, seinen Film „Apokalypse“ in Yucatan zu filmen, da man nicht wollte, dass die Welt von diesen Bräuchen erfahren würde.)
Wir sind froh, keine Zeitreise gebucht zu haben. Da in Yucatán früher viel Sisal angebaut wurde, was aufgrund der klimatischen Bedingungen hier sehr gut gedeiht und was früher weltweit zur Seil- und Sackherstellung exportiert wurde, führte dies damals zu Reichtum in der Region. Nach der Erfindung von Plastik kam es zum wirtschaftlichen Abstieg. Mittlerweile wird hier nun anstelle des Sisals viel Zuckerrohr angebaut und die blaue Agave, die man für die Herstellung von Tequila benötigt. Der Tequila, der weltweit aber witzigerweise nicht von den Mexikanern selbst getrunken wird, heißt hier Isamal (?), da er nur in Zentralmexiko als Marke Tequila genannt werden darf.
Haben wir auf der Reise bisher schon mehr oder weniger unfreiwillig festgestellt, dass sehr viele mexikanische Frauen äußerst wohlgenährt aussehen, erhalten wir prompt eine Erklärung, als habe Hilde unsere Gedanken lesen können: Eine Mayafrau soll dick - ja fast schon quadratisch sein - dann gilt sie als gesund und geeignet, Kinder zu bekommen. Junge dünne Frauen gelten hier als hässlich - na, jetzt wird uns so einiges klar….
Gut, dass wir Hilde haben, die nicht nur viele interessante Informationen gibt, sondern auch die absolute Ruhe selbst ist und herrlich unhektisch die Reisegruppe führt. Ein großer Gewinn für die Rundreise! (Wie man merkt, werde ich von Tag zu Tag glücklicher und kein Gedanke mehr, ob es vielleicht schöner gewesen wäre, erneut nach Asien zu fahren.)
Um 9:30 Uhr gelangen wir nach Kohunlich, ca. 145 m über NN, was für Yucatan richtig hoch ist, und wunderschön im Wald liegt. Wir sind der erste und der einzige (!) Bus, was sich beim Rundgang durch diese Mayastätte als äußerst angenehm erweist. Bei der Besichtigung der Ausgrabungen, die nur 6 % der eigentlichen Anlage darstellt, sind wir total fasziniert. Enorm, welche Baukunst die Mayas beherrscht haben. Wir sehen eine Akropolis, das Herrenhaus, auf das wir mit einer riesigen Treppe hinaufsteigen und wo wir einen wunderbaren Ausblick auf die Anlage erhalten, die komplett im Grünen liegt.
In der Akropolis, so stellt man sich allgemein eine Mayapyramide vor, befindet sich eine Art Hochebene, wo sich viele einzelne Räume aufgliedern, wie z. B. Räume mit gut erhaltenen Rundbögen, einige mit Art ''Badestellen'' (ist meine persönliche Interpretation) . Dicke Außenmauern, die immer wieder von neuen Herrschern ergänzt und vor allem auch erhöht wurden, umrunden das ganze Gebilde, was schon sehr gigantisch wirkt. Wir staunen, mit wie viel Energie diese ganzen Gebäude etwa 600 n. Chr. aus Kalksteinen erbaut wurden und bewundern die architektonische Leistung aber auch die Menschenkraft, die dazu nötig gewesen sein muss.
Der nächste Teil der Anlage diente den Mayas für Ballspiele, die zur Ehre der Götter gespielt wurden. Die Verlierer - aber manchmal auch die Sieger (!) - wurden nach dem Spiel geköpft, zum Teil wurde mit diesen Köpfen weitergespielt. Hildes Ausführungen enden glücklicherweise an dieser Stelle und keiner unserer Gruppe interessiert sich für weitere Details.
Durch den tropischen Wald gelangen wir zum ''Tempel der Masken'', wo wir erneut auf einer großen Treppe nach oben klettern und mit einem tollen Blick über die Anlage und die Vegetation belohnt werden. Die ca. zwei bis drei Meter hohen, in Stein gehauenen Masken sind sehr beeindruckend und aufgrund der Lagerung unter einem riesigen Palmendach sehr gut erhalten. Der Besuch dieser nicht so oft angefahrenen Anlage hat sich auf jeden Fall gelohnt!
Besonders schön ist, dass wir nicht nur die Gebäude, sondern viele wunderschöne Pflanzen und Tiere sehen. Immer wieder gibt es etwas Neues zu entdecken, riesige Palmen, Kapokbäume, die kerzengrade in den Himmel ragen, Palmen, die mit unzähligen Epiphyten bewachsen sind, aber auch große Kröten und Schmetterlinge, farbenfrohe Raupen und viele schöne Vögel. Die 1.5 Stunden in Kohunlich verfliegen wir im Flug und sehr beeindruckt kommen wir alle zu unserem Bus zurück, der wunderbar kühl ist.
Auf der Weiterfahrt können wir den Rest des Filmes über Entzifferung des Mayacodes sehen oder auch einfach nur entspannen. Gegen 14:00 Uhr halten wir für eine Mittagsrast in einem urigen mexikanischen Restaurant, wo man neben frisch gemachten Nachos auch diverse Suppen, Gemüse- und Fleischgerichte erstehen kann. Alles ohne großen Schnickschnack aber sehr landestypisch. Dazu wird frischer Saft aus einer Art Johannisbeere, aus Feigenkakteen und aus einer Art Spinat angeboten. Die Mutigen aus unserer Gruppe trinken die Säfte, wir halten uns aus Angst vor Montezumas Rache erst einmal zurück, denn wir haben noch einige Stunden Busfahrt vor uns.
Auf der Weiterfahrt sehen wir viele Ziegen und Rinder, die auf endlosen Weiden grasen. Insgesamt verändert sich die Landschaft im Laufe der Fahrt, die Vegetation wird anders, das Grün wird grüner, soll heißen dunkler, und der Boden besteht nicht mehr aus Kalkstein. Die Häuser sind zum Teil grell lila, pink oder türkis gestrichen - wirklich stylisch!
Sehr bemüht informiert uns Hilde ausgiebig über das Schulsystem, die Krankenversicherungen, die Sozialversicherung und über die Besonderheiten der verschiedenen Bundesländer, durch die wir fahren, so dass auf der langen Fahrt keine Langeweile aufkommt (falls man nicht schläft, liest oder nur die beeindruckende Landschaft genießt.)
Mit Höchsttemperatur von 37°C und 490 kurzweiligen Kilometern erreichen wir Palenque. Anschließend lassen Gundula und ich uns bei einer einstündigen Massage im Spa (liegt wunderschön in einem kleinen Tal unterhalb des Hotels) verwöhnen, die nach den gefahrenen Kilometern total gut tut. Ein absolut schöner Tag!